Welche Werte prägen Sie als Mensch und leiten Sie durch Ihr Leben?
Werte sind das Fundament, auf dem mein Leben basiert – jeden einzelnen Tag. In meiner Kindheit haben meine Eltern mir von klein auf beigebracht: Geh so durchs Leben, dass Du Dir jeden Abend guten Gewissens in den Spiegel schauen kannst und gut schlafen kannst. Und wenn Du mal einen Fehler gemacht hast, dann steh dafür ein und entschuldige Dich. Daran habe ich mich immer orientiert und bin damit gut gefahren. Konkret bedeutet das: Integrität, Loyalität, Menschlichkeit, Verbindlichkeit und ein leidenschaftlicher Grundoptimismus bei allem, was ich anpacke. Das sind die Grundpfeiler meines Lebens.
Wie haben Ihre persönlichen Werte, Ihre Entscheidungen und Ihren Führungsstil im Berufsleben beeinflusst?
Meine Werte als Rückgrat meiner Persönlichkeit sind auch das Rückgrat meiner beruflichen Tätigkeit. Ich trete jedem Kollegen, jeder Kollegin mit Respekt, Empathie und Verbindlichkeit gegenüber – und das erwarte ich auch von meinem Gegenüber. Denn dies ist meines Erachtens die Basis einer erfolgreichen Beziehung zwischen Menschen auf Augenhöhe. Nur wenn man sich in einem Team aufeinander verlassen kann, wird man erfolgreich sein. Darüber hinaus ist „Grow by growing others“, also die Entwicklung von Mitarbeitenden, eines meiner Leitmottos als Führungskraft. Als Führungskraft ist mir wichtig, mein Team zu begeistern und zu motivieren und die spezifischen Potenziale eines jeden im Team zu identifizieren und zu fördern. Denn das Know-how und die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Mitarbeitenden sind das Herzstück eines jeden Unternehmens – dies nicht auszuschöpfen ist ein Versäumnis, das Unternehmen in aller Regel Performance kostet. Führungskräfte haben die Aufgabe, ihre Mitarbeitenden zu fördern und zu entwickeln. Als Vorgesetzte gleiche ich Funktions-, Qualifikations- und Potenzialprofil meines Teams entsprechend ab und diskutiere das in einem offenen Dialog mit dem jeweiligen Mitarbeitenden.
Meine Aufgabe als Führungskraft im Team bzw. Geschäftsführerin ist, die Rahmenbedingungen festzulegen und für Verbindlichkeit zu sorgen – dann ist es aber auch wichtig, ein Stück weit „loszulassen“ und den Mitarbeiter „machen zu lassen“. Ich bin überzeugt davon, dass Vertrauen in Verbindung mit Eigenverantwortung die Performance und den Teamgeist stärkt. Wenn man die einzelnen Stärken eines jeden im Team erkennt und das Team dann – ähnlich wie bei einer Sportmannschaft – aus sich heraus so aufstellt, dass am Ende das beste Ergebnis herauskommt und die Mannschaft „den Champions-League-Pokal“ nach Hause holt, dann bin ich als „Trainerin“ glücklich. Und klar: Manchmal gehört auch zur Wahrheit, dass die Vorstellungen einzelner Mannschaftsmitglieder mit der Vorstellung des Trainers bzw. der Trainerin nicht zusammenpassen. Auch das ist Teil eines offenen Dialogs auf Augenhöhe.
Sie waren jahrelang erfolgreich in Konzernen tätig und führen jetzt ein Familienunternehmen. Was macht für Sie den besonderen Reiz im Familienunternehmen aus?
Konzerne und Familienunternehmen verbindet zunächst einmal sehr viel: Exzellente Strategie, exzellente Organisation und exzellentes Management sind sowohl in Konzernen als auch in Familienunternehmen die Grundlage für Erfolg. Das Wort Familie erklärt aus meiner Sicht das Unterscheidungsmerkmal: Eine Familie hat nicht nur – wie in Konzernen – ein grundlegendes gemeinsames Werteverständnis und gemeinsame kurz- und mittelfristige Zielvorstellungen, sondern eine noch langfristigere Ausrichtung, wenn Sie so wollen – nämlich das Unternehmen für die nächsten Generationen zu erhalten. Nachhaltigkeit ist quasi ein „Naturgesetz“ für Familienunternehmen. Sie agieren international und sind gleichzeitig tief in der Region verankert und übernehmen vor Ort besondere ökonomische, gesellschaftliche und soziale Verantwortung – im Idealfall in einem Generationszyklus hinweg, sowohl auf Unternehmer- als auch auf Arbeitnehmerseite. Familienunternehmen gehören den jeweiligen Eigentümern nur auf Zeit oder wenn sie so wollen: Die jeweilige Generation ist dafür zuständig, das Geschäft prosperierend an die nächste Generation zu übergeben. Führungskräfte in Konzernen können nur für die Zeit der jeweiligen Verweildauer ihres Vertrages wirken. Unabhängig aber von Konzern oder Familienunternehmen: Entscheidend ist, die beste Leistung und das beste Ergebnis entsprechend der jeweiligen Unternehmensziele herauszuholen.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Werte, die eine erfolgreiche Unternehmenskultur prägen sollten?
Für mich persönlich bedeutet Unternehmenskultur Offenheit, Transparenz, Verbindlichkeit, Menschlichkeit, Empathie, Respekt und Leidenschaft für Leistung. In Unternehmen geht es am Ende darum, mit dem Team gemeinsam Herausforderungen anzugehen und Ziele zu erreichen – wie im Sport braucht es dazu Vertrauen im Team und eine Grundeinstellung „Alle für einen. Einer für alle“.
Inwiefern spielen Werte eine Rolle bei der strategischen Ausrichtung Ihres Unternehmens?
Der Erfolg von WERIT basiert seit 75 Jahren auf einer ganz klaren Werte-Philosophie: Wir verstehen uns als Treiber innovativer Lösungen in der Kunststoffverarbeitung sowie in der Haustechnik. Wir agieren agil und kundenorientiert. Wir sind verlässlich, bodenständig, bescheiden und solide – wenn Sie so wollen, sind wir unprätentiös, einfach gut. Wir sind in der Region fest verankert, in Europa zu Hause und unseren Mitarbeitenden verpflichtet.
Wie fördern Sie Werte innerhalb Ihres Teams oder Ihrer Organisation, um eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen?
Hier ist das Schlüsselwort: Begeisterung! Ich finde, Arbeit muss begeistern – wer Freude hat an dem, was er tut, der macht es gut. Das kennen wir alle seit frühester Kindheit. Für den Unternehmenserfolg ist entscheidend, dass sich das Team freut, Teil einer Erfolgsgemeinschaft zu sein. Aus Arbeitgeberperspektive ist mir wichtig zu sagen: Mitarbeiter sind das Herzstück jedes Unternehmens – und zwar jeder Einzelne. Von der Pforte bis zum Vorstandsbüro – wir sind alle Menschen. Wenn wir diese Wertschätzung und diese Gleichbehandlung leben, dann sind wir bei einem positiven Arbeitsumfeld. Und zwar ganz ohne umfängliche „Code of Conducts“. Die darf und muss es additiv geben. Ein positives Arbeitsklima ergibt sich aber in erster Linie aus gelebtem Vorbild. Wir alle kennen das von Menschen, die uns geprägt haben – ob es eine Lehrerin, ein Vorgesetzter oder Kollegen sind. Als Führungskräfte sind wir dafür zuständig, Werte vorzuleben und als Vorbild zu agieren. Gleichzeitig gilt: Menschlichkeit ist keine Einbahnstraße. Respekt und Empathie gelten in alle Richtungen, zwischen allen Menschen, immer und überall.
Wie gehen Sie mit Konflikten um, die aus unterschiedlichen Werten innerhalb des Teams resultieren können?
Zunächst einmal: Grundsätzliche Werte wie Respekt und Achtung vor jedem Einzelnen sind glücklicherweise in unserem Land – anders als in anderen Teilen der Erde – qua Grundgesetz nicht verhandelbar. Inhaltliche und auch persönliche Konflikte im unternehmerischen und kollegialen Alltag hingegen sind aus meiner Sicht etwas ganz Normales, das in aller Regel positiv zu bewerten ist. Denn konstruktiv geführte Konflikte, also Differenzen, die respektvoll und inhaltsgetrieben geführt werden, ziehen Reibung nach sich bzw. einen Diskurs, der uns weiterbringt. Nur wer Dinge hinterfragt, kommt zu Innovationen – und die brauchen wir am Standort Deutschland dringend. Wenn konstruktive Auseinandersetzung in Einzelfällen einmal nicht gelingt, muss man andere Lösungen suchen – wie etwa Mediation und Ähnliches. Und am Ende gilt natürlich: Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn man übereinstimmt, nicht der gleichen Meinung zu sein, im Sinne von „we agree to disagree“. Dann müssen sich alle Beteiligten überlegen, wie sie damit umgehen wollen. Aus Arbeitgebersicht kann das auch bedeuten, sich in letzter Konsequenz einmal von einem Mitarbeitenden zu trennen, der sich in einer für ihn passenderen Umgebung dann gemäß seiner Vorstellungen besser entfalten kann.
Inwiefern sind soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit in den Werten Ihres Unternehmens verankert?
Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit sind für WERIT selbstverständlich. Wir sind seit 75 Jahren am Standort Altenkirchen im Westerwald verankert. Weite Teile der Familie leben vor Ort und sind tief in der Gesellschaft verwurzelt. Wir nehmen den Begriff des „ehrbaren Kaufmanns“ sehr ernst und sehen in der unternehmerischen Verantwortung eine „dienende Funktion“ für die Gesellschaft. Wir unterstützen Kindergärten und Schulen und haben jüngst etwa ein Fahrzeug für ein Kinderhospiz gespendet, damit betroffene Familien schneller und besser erreicht werden können. Wir treffen unternehmerische Entscheidungen nicht aus reinen Profitabilitätsgründen, sondern unter gesellschaftlichen und sozialen Aspekten als Teil der Region, der wir uns seit 75 Jahren verpflichtet haben.
Welche Ratschläge würden Sie anderen Führungskräften geben, die daran interessiert sind, eine werteorientierte Kultur in ihren Organisationen aufzubauen?
Mein Rat in einem Wort: Zuhören! Im Ernst: So viele Führungskräfte haben ein so ausgeprägtes Sendungsbewusstsein, dass sie schlicht vergessen, einfach mal zuzuhören und „aufzunehmen“, was an Potenzial, Lösungen und Perspektiven im Unternehmen schlummert. Das ist zugegebenermaßen anstrengend. Aber ich darf Ihnen versichern: Unabhängig, ob im Konzern oder im Familienunternehmen: Es lohnt sich. Und nach dem Zuhören sollte man reflektieren, entscheiden und umsetzen. Oder anders ausgedrückt: Einfach machen.
Frau Dorn, vielen Dank für das Gespräch.