Sonya ist die Lady der Weine. Und das kommt nicht von ungefähr. Sonya lebt schon lange für und mit dem Wein. Guter Wein ist Teil der Lebensart, mit der sie und ihre Familie im Sternerestaurant Kuppelrain dafür sorgen, dass nur das Beste auf den Tisch kommt.
Ihren Weinkeller kenne ich nun seit gut zwanzig Jahren. Hier haben wir gemeinsam schon auf viele Erfolge und Auszeichnungen angestoßen. Zum Beispiel, als Jörg Trafoier, ihr Mann, wieder einmal seinen Michelin-Stern verteidigt hat, was ihm immerhin seit 2001 gelingt. Natürlich auch, als Sonya das „Patente Assaggiatore del Grappa“ verliehen wurde, was bisher nur sehr wenigen Frauen gelungen ist. Ebenso, als Sohn Kevin ins Familienunternehmen einstieg, um gemeinsam mit dem Vater seinen Platz in der illustren Welt der Sterneköche zu verteidigen und als Tochter Nathalie Südtirolerin des Jahres und beste Patissière wurde. Oder als Sonya ihren eigenen Wein kreierte. Auf dem Etikett des Weißweins, den sie aus Trauben von Vinschger Terroir kelterte, stand bezeichnenderweise „NaaMama“, wohl Sonyas meistgehörter Spruch von ihren Kindern. Die jüngste Tochter Giulya geht noch zur Schule. Aber wenn sie im Service mithilft, spürt man auch bei ihr bereits die Perfektion, mit der im Familienunternehmen gearbeitet wird. In ihrem Lächeln vereint sich die Herzlichkeit, die die Familie auch miteinander pflegt. Wenn man ihr dankt, fürs Glas oder die Serviette die sie hinlegt, kommt ein „So gern!“ zurück. Darin schwingt mit, dass man von Herzen gern bedient und die Gäste glücklich machen will, es ist nicht nur eine Höflichkeitsfloskel.
Sonyas Freude neben dem Wein sind ihre Tiere. Sie pflegt einen großen Hühnergarten. Er ist mehr als ein nettes Hobby der Familie. Die Hühner sind wichtige Lieferanten für die frischen Bio-Eier, die Nathalie für ihre Süßspeisen- und Dessert- Kreationen braucht und die in der Küche von Jörg und Kevin verarbeitet werden. Auch bewirtschaften Jörg und Sonya in Goldrain, einem der Nachbardörfer von Kastelbell, einen wunderbaren Bauerngarten, aus dem sie ihr Gemüse, das Obst und die frischen Kräuter beziehen. Schon seit langem ist Jörg dafür berühmt, dass er den ersten regionalen Spargel des Jahres anbietet. Und das bereits zu einer Zeit, als sich die Köche noch selten die Mühe machten, ihre Waren regional einzukaufen. Auch Fleisch und Wild kommen im Restaurant Kuppelrain von lokalen Produzenten und Jägern, die man kennt und von denen man weiß, wie das Tier lebte. Denn das, was heute in den Medien als Tierwohl-Label gefordert wird, praktizieren Sonya und Jörg schon lange aus Überzeugung. Es wohnen im Hühnergarten alte und junge Hühner, ein alter Hahn, zwei jüngere Hähne, aber auch Wachteln und Hasen, die ihren Lebensabend hier verbringen dürfen. Außerdem kümmert sich Sonya liebevoll um acht heimatlose Katzen und vier Hunde.
Natürlich klingen im Weinkeller auch diesmal die Gläser, und zwar mit einem sanft-perligen Frizzante aus der Region. In Südtirol gibt es einige ganz ausgezeichnete Sektproduzenten und Sonya arbeitet mit einem von ihnen zusammen. Genaueres wird hier noch nicht verraten, denn wir müssen ja wieder einmal auf etwas anstoßen.
Ein Interview mit Sonya Egger
Hast Du Worte für diese Auszeichnung?
Sonya Egger: Der „Michelin Sommelier Award Italy“ ist für Berufssommeliers ein Ritterschlag und die höchste Auszeichnung, die man erreichen kann. Zugleich ist es die größte Ehrung, die in Italien und in der von Männern dominierten Weinwelt je an eine Frau verliehen wurde. Es ist ein tolles Gefühl und eine große Bestätigung.
Wie funktioniert es eigentlich: Bewirbt man sich um diesen Preis oder wird man heimlich ausgewählt?
Sonya Egger: Um diese Auszeichnung kann man sich nicht bewerben. Wie bei der Verleihung der Michelin-Sterne wird man über Jahre beobachtet. Es kommen anonyme Tester, immer andere, und diese bewerten dann verschiedene Aspekte, wie die Präsentation der Weinkarte, die Beratung, die Freundlichkeit, die Qualität des Weins, ob dieser zum Essen passt und vieles mehr.
Du hast mehr als dreißig Jahre Erfahrung, hilft das zur Besten der Besten zu werden?
Sonya Egger: Man braucht als Berufssommelière ein Elefanten-Gedächtnis. So kann man die Reifung eines Weines geschmacklich mitverfolgen. Ich verkoste ja viele junge und ungereifte Weine. Wenn man ihnen Zeit lässt, erlebt man meist ganz tolle Überraschungen. Qualitätsweine werden mit der Zeit besser, bei den anderen gibt es weniger Entwicklungspotenzial. Die sollte man dann lieber gleich trinken.
Das halte ich für eine Herausforderung. Da kann man schnell zu viel Alkohol trinken, oder?
Sonya Egger: Der Sucht-Aspekt ist natürlich immer eine Gefahr. Aber ich verkoste, ich trinke nicht. Ich muss meine Geschmacksnerven sehr gut trainieren. Das macht man beispielsweise, wenn man sehr viel an allem Möglichen riecht. Aber ein Sommelier sollte zum Beispiel niemals ein Parfüm benutzen. Das überlagert den Weingeschmack.
Na, das könnte ich nicht merken. Ich folge also lieber mal wieder Deiner Empfehlung. Und welche ist das heute?
Sonya Egger: Du weißt, ich habe immer sehr große Freude daran, meinen Gästen gute lokale Tropfen zu kredenzen. Das hier im Glas ist ein Lagrein Riserva aus der Bozner Gegend, ein kräftiger Rotwein im kleinen Eichenholzfass ausgebaut. Schau mal, welch intensive dunkelrote Farbe er hat. Schmeckst du Waldbeere? Oder die leicht schokoladige Note?
ERINNERT AN EIN PRALINÉ VON NATHALIE ...
Ai, gut! Er ist im Abgang samtig und anhaltend, ein Wein, den man gerne trinkt. Ein Wein mit Charakter.