Alles, was wir tun oder unterlassen, hat irgendwann und irgendwo eine Wirkung. Doch in einer immer komplexeren Welt werden diese globalen Auswirkungen nicht auf das eigene lokale Handeln zurückgeführt. Statt sich der globalen Verantwortung zu stellen, suchen immer mehr Menschen Alternativen und setzen auf vermeintlich „einfache Antworten“ auf die sichtbaren Herausforderungen wie Klimakrise, Migration und Digitalisierung. Die Deutsche Gesellschaft Club of Rome wirkt dieser Entwicklung mit ihrer Arbeit entgegen.
Obwohl mittlerweile die Folgen des Mangels an Nachhaltigkeit wie der fortschreitende Klimawandel, der Verlust der Artenvielfalt oder die zunehmende Migration offensichtlich sind, agieren die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft weltweit nicht konsequent, weil sie es nicht wagen, die gegenwärtige Weltwirtschaftsordnung in Frage zu stellen, die Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung fördert. Die große Herausforderung besteht darin, in unserer hochkomplexen und globalisierten Welt die Weichen für einen Systemwandel zu stellen, hin zu einer Ordnung, die das Wohlergehen aller Menschen und der Umwelt viel stärker im Blick hat, als das heute der Fall ist. So werden die seit vielen Jahren angebotenen Lösungen viel zu langsam oder nur halbherzig umgesetzt. „Wir sind überzeugt, dass die Menschheit über die geistigen und technischen Möglichkeiten für einen solchen Wandel verfügt. Deshalb möchten wir mit der Verknüpfung bereits vorhandener Gedanken und Maßnahmen einen motivierenden Impuls in die öffentliche Diskussion geben: Für eine konsequente Weichenstellung hin zu einem systemischen Wandel.
Unabhängig davon, was andere tun: Wir sollten in Deutschland engagiert auf Nachhaltigkeit setzen – aus Verantwortung, aber auch in der Erkenntnis, dass wir damit zugleich eine Blaupause schaffen, die unserer Wirtschaft zugutekommt. (Deutsche Gesellschaft Club of Rome, Wachstum 2.0)
1. Wachstum 2.0! Damit wir nicht die Zukunft verspielen
Jeder möchte wachsen, wachsen heißt leben. Aber gegenwärtig geschieht unser Wachstum auf Kosten der Umwelt, auf Kosten der Armen und auf Kosten der Zukunft. Wir brauchen ein neues Paradigma unserer gesellschaftlichen Organisation, damit Wachstum zukunftsverträglich wird.
2. Das „Gute“ begünstigen und schädliche Subventionen abbauen
Die aktuelle Steuer- und Subventionspolitik verlängert die Lebensdauer des bestehenden, ungenügenden Systems, da wir oft das „Falsche“ verbilligen und das „Richtige“ verteuern, unter anderem auch deshalb, weil die Schädigung der Umwelt sich häufig nicht in den Preisen widerspiegelt – Externalisierung statt
Internalisierung von Kosten. Stattdessen müssen Steuern den Markt in Richtung einer zukunftsfähigen Entwicklung lenken und Subventionen in die Zukunft weisende Innovationen fördern und am Markt etablieren.
3. Weniger kann mehr sein! Effizienzsteigerungen und Stoffkreisläufe massiv fördern
Unser Wirtschaftssystem basiert zu stark auf Verbrauch, wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Um die Ökosysteme zu entlasten, müssen all unsere Bemühungen darauf abzielen, primär nur solche Ressourcen zu verwenden, die erneuert oder einem Stoffkreislauf zugeführt werden können. Gleichzeitig gilt es durch Effizienzsteigerungen den Energie- und Ressourcenverbrauch insgesamt zu vermindern, dies möglichst bei gleichzeitiger Steigerung der Wertschöpfung.
4. Finanzmärkte und öffentliche Investitionen nutzen
Die Entwicklung an den Finanzmärkten hat deutlich gemacht, dass falsche Anreizsysteme in Verbindung mit Maßlosigkeit und Gier in die Krise führen. Sie hat gezeigt, dass der Markt sich nicht selbst reguliert und wir kluge und entschiedene politische Weichenstellungen benötigen. Denn es gilt nicht nur Grenzen zu setzen, sondern intelligente Leitplanken zu etablieren, die private wie öffentliche Investitionen in zukunftsfähige Entwicklungen und Projekte fördern.
5. Chancen- und finanzielle Ungleichheit bekämpfen für eine zukunftsfähige Gesellschaft
Nationales Denken kann die drängenden Herausforderungen nicht lösen. Dafür zu sensibilisieren, war eine der Motivationen und Zielsetzungen der „Grenzen des Wachstums“. Heute erleben wir eine Entwicklung zurück zu nationalem Denken. Die Ursachen hierfür liegen neben der menschlichen Angst vor Veränderungen sicherlich auch in der zunehmenden Ungerechtigkeit. Anstatt der zunehmenden Isolation benötigen wir mehr Kooperation, und das auf allen Ebenen. Wir müssen die Ungerechtigkeit verringern, sowohl im Bildungsbereich als auch bei den Einkommen. Nur so stärken wir die Demokratie und schaffen widerstandsfähige Gesellschaften.
6. Ein Werte- und Kulturwandel: Was macht uns glücklich?
Wir benötigen einen Werte- und Kulturwandel. Dieser erfordert zuallererst einen gesellschaftlichen Dialog unter Einbeziehung aller Gruppen. Lebensqualität hat nicht notwendigerweise mit materiellen Dingen zu tun. Eine intakte Umwelt ist ein hohes Gut, von der alle Menschen profitieren. Wie auch die Fähigkeit zum
Kompromiss und zur Kooperation, denn nur sie garantiert den Frieden auf der Welt.
Zum Buch „EARTH FOR ALL – Ein Survivalguide für unseren Planeten“
In „Earth for All“ geht es um die Verbindung von ökologischer und sozialer Komponenten in Zeiten des Klimawandels. Soziale und ökologische Faktoren lassen sich nicht trennen. Wenn wir den Klimawandel nicht ernst nehmen, rauschen wir in eine soziale Katastrophe. Eine Nachlese und ein Aufruf zum Handeln.
Erstmals erschüttert wurde die Fortschrittsgläubigkeit der Welt durch das Buch „Grenzen des Wachstums“, das der Club of Rome 1972 herausgab. Es gilt seither als eine der wichtigsten Publikationen zur drohenden Überlastung unseres Planeten. Mit dem Buch „Earth for All – Ein Survivalguide für unseren Planeten“ zum 50-jährigen Jubiläum blicken renommierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Club of Rome erneut in die Zukunft. Der Ausblick ist düster, aber nicht so düster, wie man allgemein hört. Die Message der Wissenschaftler: Wir können etwas tun, wenn wir lernen, unser Denken zu nutzen und nicht in Weltanschauungsdebattten verharren. Das Buch fordert „Systemwandel statt Klimawandel“ und „Menschen statt Profit“.
Die Welt kann immer noch die globale Erwärmung unterhalb der Zwei-Grad-Marke stabilisieren und sich bis 2050 einem Ende der Armut nähern, indem sie fünf sogenannte außergewöhnliche Kehrtwenden („extraordinary turnarounds“) vollzieht, die mit den derzeitigen Trends brechen. Die Autoren machen deutlich: Wir haben auch eine Chance. Wir müssen uns nur dafür entscheiden. „Wir stehen am Scheideweg“, sagt Jorgen Randers, einer der sechs Autoren von Earth for All und Co-Autor des vor 50 Jahren veröffentlichten Buches „Die Grenzen des Wachstums“. „Innerhalb der nächsten 50 Jahre wird das derzeitige Wirtschaftssystem soziale Spannungen verstärken und den Wohlstand verringern. Es zeigt sich bereits heute, wie Ungleichheit nicht nur die Existenz der Menschheit, sondern auch die unseres Planeten aufs Spiel setzt.“
Solange keine wirklich außergewöhnlichen Maßnahmen zur Umverteilung des Reichtums ergriffen werden, kann sich die gegenwärtige Lage nur noch erheblich verschlechtern. Heute wird bereits die Saat für einen regionalen Zusammenbruch gesät. Wir schaffen Teufelskreise, in denen wachsende soziale Spannungen, verschärft durch Auswirkungen der Klimakrise, zu einem größeren Vertrauensverlust führen werden. Dies birgt die Gefahr einer explosiven Kombination aus extremer politischer Destabilisierung und wirtschaftlicher Stagnation.
Die Studie „Earth for All – Ein Survivalguide für unseren Planeten“ stellt die Ergebnisse eines zweijährigen Forschungsprojekts vor, für das führende Wissenschaftler, Ökonomen und ein Team von Systemdynamik-Computermodellierern zusammengekommen sind. Das Buch befasst sich dazu mit der Debatte zwischen den Befürwortern des Grünen Wachstums und den Degrowth-Anhängern.
Sandrine Dixson-Declève, Autorin und Co-Präsidentin des Club of Rome, sagt: „Unsere Wirtschafts- und Finanzsysteme sind kaputt. Wir erreichen ein gefährliches Maß an Ungleichheit. Wollen wir den ersten Billionär erschaffen oder funktionierende, faire demokratische Gesellschaften? Letztendlich geht es bei Earth for All darum, Gesellschaften auf einem begrenzten Planeten hervorzubringen, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts genügen. Eine gerechtere Gesellschaft kommt letztendlich allen zugute, auch den Superreichen.“
Das Buch untersucht zwei Szenarien, die beide mit dem Jahr 1980 beginnen und im Jahr 2100 enden. Diese Szenarien tragen die Titel „Too Little Too Late“ (Zu wenig, zu spät) sowie „Giant Leap“ (Riesensprung) und untersuchen, wie sich die Bevölkerung, Wirtschaft, Ressourcennutzung, Umweltverschmutzung und sozialen Spannungen im 21. Jahrhundert aufgrund der in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen verändern könnten.
Szenario: „Too Little Too Late“
Hierbei setzt die Welt die Wirtschaftspolitik der letzten vierzig Jahre fort. Während das BIP weiter wächst, werden die Reichen immer reicher, während die Armen immer ärmer werden, was zu extremer Ungleichheit und wachsenden sozialen Spannungen auf nationaler als auch internationaler Ebene führt. Aufgrund politischer Spaltung und mangelndem Vertrauen wird es immer schwieriger, Klima- und Umweltrisiken zu minimieren.
Die globale Temperatur wird bis zum Jahr 2100 um rund 2,5 Grad Celsius ansteigen und damit das im Pariser Abkommen festgelegte Ziel deutlich überschreiten. Die ärmsten Volkswirtschaften sind extremsten Bedingungen ausgesetzt. Sie haben Schwierigkeiten, sich den Klimaauswirkungen anzupassen. Im späteren Verlauf des Jahrhunderts werden rund zwei Milliarden Menschen in Gebieten leben, die kaum bewohnbar sind. Alle Gesellschaften werden unter den Auswirkungen von extremer Hitze, Dürre, Ernteausfällen und Überschwemmungen zu leiden haben.
Der Wohlstand wird um 40 Prozent zurückgehen
Wenn wir den Weg des „Too Little Too Late“ weitergehen, wird der Wohlstand in den 2050er-Jahren weltweit um durchschnittlich 40 Prozent gegenüber den 2020er-Jahren abnehmen, auch in den wohlhabenden Ländern. Weiterhin zeigt das Modell, dass extreme Armut erst im Jahr 2100 beseitigt sein wird, da die ärmsten Volkswirtschaften ein stagnierendes Wirtschaftswachstum verzeichnen werden. Den Modellrechnungen zufolge wird die Weltbevölkerung um 2050 mit knapp neun Milliarden Menschen ihren Höchststand erreichen.
Die Weltbevölkerung wächst auf neun Milliarden Menschen an
Per Espen Stoknes, Mitautor und Direktor des Zentrums für Nachhaltigkeit an der „Norwegian Business School“ sagt: „Bei diesem Szenario zeigt das Modell, dass ein regionaler gesellschaftlicher Zusammenbruch, der durch zunehmende so-ziale Spannungen, Ernährungsunsicherheit und Umweltzerstörung ausgelöst wird, droht. Krisen werden meist nicht durch ein singuläres Ereignis wie einen Ernteausfall verursacht, sondern durch kaskadenartige Fehlentwicklungen, die sich durch den Klimawandel sowie chronisch dysfunktionale Regierungen und Systemfehler noch multiplizieren. Wir wissen seit 1972, dass ernste Probleme auf uns zukommen, aber bisher haben wir uns dieser Thematik nicht gestellt. Jetzt ist es an der Zeit, Regierungen für die Weichenstellung der Zukunft in die Pflicht zu nehmen und auf starke Governance-Modelle zu drängen, die flexibel genug sind, den komplexen Herausforderungen von heute gerecht zu werden.“
Szenario: „The Giant Leap“
Das Modell bietet als Lösung einen zweiten Weg, „The Giant Leap“. Die Autoren kommen zum Fazit, dass es im Machbaren liegt, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, die Weltbevölkerung bei weit unter neun Milliarden Menschen zu stabilisieren, den Materialverbrauch zu reduzieren und sich weltweit dem Ende extremer Armut bis 2050 zu nähern. Beim „The Giant Leap“ -Szenario nehmen die sozialen Spannungen ab, und das soziale Gefüge wird im Laufe des Jahrhunderts aufgrund größerer Einkommensgleichheit gestärkt.
Das Modell zeigt, dass Gesellschaften in einem noch nie da gewesenen Ausmaß sofort Kehrtwenden in fünf miteinander verbundenen Bereichen einleiten müssten, um den „The Giant Leap“ erfolgreich umzusetzen:
1. Eine Reform des internationalen
Finanzsystems, um drei bis vier Milliarden Menschen aus der Armut zu holen.
2. Verringerung der Ungleichheit, indem sichergestellt wird, dass die reichsten zehn Prozent maximal nicht mehr als
40 Prozent des Nationaleinkommens erhalten.
3. Stärkung der Stellung der Frauen, um bis 2050 volle Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen und aggressive patriarchale Strukturen einzudämmen.
4. Umgestaltung der Nahrungsmittelproduktion für einen nachhaltigen Anbau und eine gesunde Ernährung.
5. Umstellung auf saubere Energie, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, kommentiert: „Aus Hunderten potenzieller Wege haben wir fünf miteinander verbundene Kehrtwenden als einfachste und wirksamste Lösungen gefunden, mit deren Umsetzung wir noch in diesem Jahrzehnt beginnen müssen, um bis circa 2050 eine Wirtschaft aufzubauen, die innerhalb der planetarischen Grenzen funktioniert.“ Sandrine Dixson-Declève ergänzt: „Wir schätzen, dass die für diese Umstellung erforderlichen Investitionen gering sind: nur zwei bis vier Prozent des jährlichen BIP. Das ist weniger als unsere jährlichen Subventionen für die fossile Industrie und durchaus erschwinglich. Dazu werden Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Was fehlt, ist eine Koalitionen von Politikern, die bereit sind, das Ganze in die Tat umzusetzen.“ Owen Gaffney, Autor und Analyst für globale Nachhaltigkeit am „Stockholm Resilience Centre“, fährt fort: „Die reichsten zehn Prozent verfügen derzeit über 50 Prozent des weltweiten Einkommens. Eine wirksame progressive Besteuerung, einschließlich einer Vermögenssteuer, kann leicht die für „The Giant Leap“ erforderlichen Mittel bereitstellen. Diese Lösungen tragen aber auch dazu bei, den Reichtum umzuverteilen, was wiederum die Polarisierung verringert sowie das Vertrauen in die Regierungen erhöht und sie somit legitimiert, umwälzende Veränderungen durchzusetzen.“ Die Autoren plädieren auch für die Schaffung einer neuartigen Finanzinnovation, den Bürgerfonds, um Ungleichheit zu bekämpfen, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und ein Sicherheitsnetz für die Schwächsten der Gesellschaft zu schaffen. Der Fonds würde die Gewinne der globalen Gemeingüter als universelle Grunddividende an alle Menschen verteilen. „Der Riesensprung“, sagt Sandrine Dixson-Declève, „bedeutet nicht das Ende des Wirtschaftswachstums, sondern das Ende des ziellosen Wirtschaftswachstums, das die Gesellschaften und den Planeten zerstört.“ Eine Earth4All-Umfrage ergab, dass in den G20-Ländern 74 Prozent der Menschen einen Wandel der Wirtschaftssysteme befürworten würden, wenn dieser anstatt des alleinigen Fokus auf Profit und Wachstum auch die Belange der Gesundheit und Umwelt mit einbeziehen würde.
In einem sind sich alle Wissenschaftler einig: „It is time for change!“
CLUB OF ROME
Mitten im Goldenen Zeitalter des Kapitalismus trieb den italienischen Industriellen und Philantropen Aurelio Peccei die Sorge um die Zukunft der Menschheit um. 1965 traf er sich mit dem schottischen Wissenschaftler Alexander King und einer Gruppe Gleichgesinnter in Rom. Als wesentliche Ursache für den „Irrweg der Menschheit“ identifizierten sie das fehlende Gefühl für Verantwortung und beschlossen der „selbstmörderischen Ignoranz“ etwas entgegenzusetzen – mit der Gründung des „Club of Rome“.
1972 beauftragte der „Club of Rome“ eine Gruppe von Professoren mit einer Untersuchung, um ökologische Zusammenhänge und die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt zu verstehen. Heraus kam 1972 der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (The Limits to Growth). Der Bericht wurde zum Meilenstein für die Nachhaltigkeitsbewegung: Zum ersten Mal trafen Erkenntnisse zu Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt auf ein breiteres öffentliches Bewusstsein.